Recklinghausen Süd – Ist die Bochumer Straße noch zu retten

Aktuell findet eine Online-Umfrage statt, wie die Bochumer Straße in Recklinghausen Süd noch zu retten ist bzw. wie der Standort verbessert werden kann. Hierzu muss man deutlich kommunizieren, dass es eigentlich um ein Problem des gesamten Stadtteils Recklinghausen Süd handelt.

Was bisher geschah?

Recklinghausen Süd und insbesondere die Bochumer Straße haben in den letzten Jahrzehnten einen Wandel hingelegt, der unübersehbar, jedoch auch nicht ruhmreich ist. Einst waren auf der Bochumer Straße viele inhabergeführte Fachhändler und die Dinge des täglichen Bedarfs bzw. sogar Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke konnte man in der Recklinghausen Süd kaufen. In der heutigen Zeit wird es schwer fallen.

Die Stadt Recklinghausen hat das Problem durchaus erkannt und bereits einige Maßnahmen immer wieder angestoßen. Die Sanierung des „Efeu Hauses“, Neugestaltung des Neumarkts, Neugestaltung des Platzes vor dem REWE Center, Einführung einer Stadtteilmanagerin, Beauftragung von Städteplanern…

Untätigkeit kann man der Verwaltung absolut nicht vorwerfen. Allein die Investitionen in die Städteplaner werden in die sechsstellige Summe gehen oder zumindest auf diese Summe sich hinbewegen.

Jedoch muss sich die Verwaltung die Frage stellen, warum nahezu bei jeder Veranstaltung im Stadtteil Recklinghausen Süd die Stadtspitze (in der Regel der Bürgermeister oder ein Vertreter) das Thema „wir haben Recklinghausen Süd nicht aufgegeben“ in die Rede einbaut.

Ja, die Verwaltung hat Recklinghausen Süd nicht aufgegeben, aber Lösungsansätze sind in den letzten Jahrzehnten auch nicht erarbeitet worden bzw. zeigen kaum Wirkung.

Nehmen wir das Programm der NRW.Bank zur Stärkung von Innenstädten. Viel zu spät hat man Recklinghausen Süd einbezogen und dann stellt sich häufig die Frage, wie werden diese Anträge vergeben? In der Innenstadt sind Zuschüsse gewährt worden, die nicht zu den Problemobjekten zählen, sondern eine Vermietung auch ohne Zuschuss hätte erfolgen können.

Die Stadtverwaltung setzt sehr stark, so zumindest die Wahrnehmung, auf bauliche Maßnahmen und versucht auch über die Städteplaner die Immobilienbesitzer von Investitionen zu überzeugen. Es ist vorbildlich, wenn Häuser optisch aufgewertet werden, jedoch löst es nicht das Problem in Recklinghausen Süd.

Was ist das Problem in Recklinghausen Süd und insbesondere der Bochumer Straße?

Diese Frage stellt sich die Stadt Recklinghausen und nun auch das beauftragte Städteplanungsbüro. Eine Antwort ist aber relativ leicht zu finden und dafür bedarf es keine monatelange Umfrage oder Einarbeitung eines Stadtteilmanagers.

Schaut man sich die Reaktionen und die Kommentare auf den Social Media Plattformen zu Artikeln / Themen Recklinghausen Süd an, dann hat man die Antwort. Geschieht eine Straftat in Recklinghausen Süd, findet direkt eine Interaktion mit sehr vielen Kommentaren statt. Diese Kommentare lauten meist „typisch Recklinghausen Süd“, „klein Istanbul“, „dort darf man im Dunkeln nicht herlaufen“… Vorurteile, die leider auf Unwissenheit und Fehlkommunikation basieren.

Gibt es jedoch Artikel über Straftaten in anderen Stadtteilen, so ist die Interaktion deutlich geringer und vor allem auch nicht so negativ gegenüber einem Ortsteil. Man kann sagen „die Leute hauen auf die Schwächsten“.

Dieser Umstand basiert natürlich auf eine Entwicklung. Missmanagement (Unternehmen und Stadtverwaltung) und fehlende Kaufkraft führen zum Einzelhandelssterben, daraus resultieren weniger Investitionen in Immobilien und folglich auch niedrigere Mietpreise, was anschließend eine entsprechende Bevölkerungsgruppe mit geringerem Einkommen anspricht.

Das Ergebnis ist, was wir sehen! Bochumer Straße 2023.

Eine Abwärtsspirale, die schwer aufzuhalten ist. Durchhalteparolen sind dabei definitiv keine Lösung. Eine klare Kommunikationsstrategie für Recklinghausen Süd fehlt komplett.

Wie kann eine Lösung aussehen?

Wie so häufig im Leben, gibt es nicht die eine Lösung, sondern es muss ein Mix aus vielen Maßnahmen erfolgen. Die Stadt Recklinghausen wird das nicht alleine stemmen können, sondern benötigt hierzu die Sparkasse Vest und den Kreis Recklinghausen, sowie die Immobilienbesitzer und vor allem die Unternehmer vor Ort.

Vorweg muss gesagt sein, dass in Recklinghausen Süd durchaus erfolgreiche Einzelhändler gibt und eine Ansiedlung in der Innenstadt von Recklinghausen nicht zwangsläufig einen höheren Gewinn bedeuten.

Einwohner und Unternehmen haben gewisse Grundbedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Betrachtet man die Bedürfnistheorie nach Maslow (im Marketing sehr gerne genutzt und kennt jeder BWLer…), dann weiß man, dass die Stufen aufeinander aufbauen. Diese sind…

Stufe 1 sind die physiologischen Bedürfnisse, sprich Hunger, Durst…

Stufe 2 sind die Sicherheitsbedürfnisse, sprich Schutz…

Stufe 3 sind die sozialen Bedürfnisse, sprich Zugehörigkeit…

Stufe 4 ist die Wertschätzung (Anerkennung & Status) und

Stufe 5 die Selbstverwirklichung

Nun schauen wir uns die Kommentare und Meinungen zu Recklinghausen Süd (Social Media) an versuchen diese Dinge einmal mit der Bedürfnistheorie in Verbindung zu bringen. Die meisten Menschen halten Süd für dreckig, unsicher und ohne jegliche Aufenthaltsqualität. Mit anderen Worten, es liegt an den Basics (Stufe 1 und 2). Folglich darf die Stadtverwaltung in der Außenkommunikation nicht den Zusammenhalt, die Anerkennung etc. in den Vordergrund stellen. Die Stadt Recklinghausen muss sich eingestehen, dass gerade auf der Bochumer Straße die Grundbedürfnisse bereits in Stufe 2 nicht erfüllt werden. Es bringt hierbei nichts, wenn die Polizeisprecherin jährlich eine Statistik präsentiert, die das Empfinden teilweise widerlegt.

Wenn sich auf der Bochumer Straße und in Recklinghausen Süd etwas ändern soll, dann müssen die Grundbedürfnisse der Recklinghäuser, insbesondere auch der Anwohner aus Recklinghausen Süd befriedigt werden. Beginnend mit der Stufe 1 und endend mit der Stufe 5. Entsprechend ist die Kommunikation der Stadt aufzubauen und mit großer Sorgfalt auch zu tätigen. Es bedarf einer klaren und vor allem ständigen Kommunikationsstrategie.

Aktuell ist Recklinghausen Süd an einem Punkt, bei dem man den turn-around nicht mehr step by step angehen kann. Es müssen Zeichen gesetzt werden, sprich eine Aufbruchstimmung wird benötigt. Die Stadt Recklinghausen sollte schnellstmöglich das Sicherheitsempfinden auf der Bochumer Straße durch mehr Präsenz des Ordnungsamtes und der Polizei erhöhen.

Wichtig: mehr Präsenz heißt nicht mehr „Knöllchen“ verteilen. Es dürfen aber mehr allgemeine Verkehrskontrollen etc. durchgeführt werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Sauberkeit. Es wird sich gewünscht, dass die Immobilienbesitzer die Häuser pflegen, aber die Gehwege sehen teilweise katastrophal aus. Weitere Reinigungszyklen ohne Umlage wären ein klares Zeichen für ein sauberes Süd. Bei dieser Maßnahme ist es notwendig, auch die Einzelunternehmen vor Ort ins Boot zu holen. Wenn jeder täglich vor seiner Tür für Sauberkeit sorgt, dann profitiert der Stadtteil und somit das Business.

Bei dem Thema Gehwege sollte die Stadt grundsätzlich auch die Gehwege erneuern, wenn die Straßen erneuert werden. Es ist keine Frage der Kosten, denn die Bauunternehmen haben mit der Aufnahme und Verlegung von Altpflaster mehr Arbeit. Im Vergabeverfahren kann man die neuen Pflastersteine in die Nachverhandlung nehmen und kommt nahezu immer mit durch. Es gibt in Recklinghausen Süd Gehwege, dort sind auf 100m Strecke über 10 verschiedene Pflastersorten verarbeitet. Wirkung? Wie erklärt man dieses den Immobilienbesitzern?

Sobald Süd sauber und sicher ist, wird man auch die Hauseigentümer eher überzeugen können. Recklinghausen Süd ist ein Standort mit einer großen Besonderheit, denn von keinem Standort in der Stadt Recklinghausen ist man so schnell auf drei verschiedenen Autobahnen. Ansprechende Bürofläche mit schnellem Internet kann Unternehmen in die Südstadt locken.

Wie bereits zu Beginn geschrieben, kommt es auf den Mix an. Sind die Grundbedürfnisse in dem Stadtteil befriedigt, bedarf es Motivationen, den Standort zu wählen. An dieser Stelle ist die Stadt Recklinghausen mit der Wirtschaftsförderung, der Kreis Recklinghausen mit dem Startercenter und die Sparkasse Vest gefragt. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Recklinghausen sollte Daten und Fakten zu dem Standort Süd bereithalten, ebenso Strategien entwickeln, welche Unternehmen sich dort ansiedeln könnten. Diese Maßnahme sollte von dem Startercenter des Kreis Recklinghausen unterstützt werden, insbesondere durch Kommunikation in Richtung Gründungswillige.

Einen ganz besonderen Stellenwert kann die Sparkasse Vest einnehmen und sogar Vorbild vieler Städte und Banken werden. Der Standort Recklinghausen Süd kann besonders attraktiv werden, wenn der Standort besondere Finanzierungsoptionen bietet.

Die Sparkasse Dortmund versucht den Standort Dortmund mit einem Venture Capital Fonds für die Startups attraktiv machen. Bei der NRW.Bank werden Wandeldarlehen für Startups in NRW angeboten, um auch dort den Standort NRW zu pushen.

Warum geht die Sparkasse Vest nicht her und bildet eine Mischung aus dem Beispiel Dortmund und NRW.Bank? Ein Wandeldarlehen / Darlehen für Unternehmen, die sich in Recklinghausen Süd ansiedeln (insbesondere Bochumer Straße), kann die Lösung sein. Die Beantragung muss smart und vor allem transparent sein, aber auch offen für neue Ideen. Klassische Kreditvergabemuster sollten beiseite geschoben werden und viel mehr auf Chancen ausgerichtet sein. Für die Unternehmer muss es natürlich Auflagen geben, wie z.B. Betreuung durch einen Steuerberater, quartalsweise Reports erstellen…

Das Risiko wird für die Bank natürlich steigen, aber auch die Chancen auf neue Wege, neue Kunden und vor allem auch auf einen lebendigen Stadtteil mit weniger Problemen. Konzentriert sich die Sparkasse Vest mehr in dem Mikrobereich bis 50 TEUR, wird man schnell merken, dass es keine Millioneninvestition sein wird. Richtig angestellt, wird es ein rentables Geschäftsmodell und Beispiel für viele andere Städte.

Uns ist keine Stadt bekannt, in der schwache Stadtgebiete durch besondere Unternehmensfinanzierungen gepusht werden. Der Grund dürfte darin liegen, dass es an der gemeinsamen Planung zwischen Bank und Stadt scheitert bzw. der Mut zu neuen Weg fehlt.

Recklinghausen Süd und die Bochumer Straße brauchen aber genau diese neuen Wege

Fazit

  • Grundbedürfnisse der Einwohner befriedigen
  • eindeutige Kommunikationsstrategie für den Stadtteil und nicht nur Reaktionen auf Ereignisse in dem Stadtteil
  • klare Zeichen setzen, Aufbruchstimmung erzeugen
  • Konzepte erarbeiten
  • Unternehmen mit Hilfe von innovativen Finanzierungslösungen in den Stadtteil lotsen

Sollte das geschehen, werden die Immobilienbesitzer ebenfalls mitziehen.